Ent-lich Weihnachten

Ent-lich Weihnachten

27. Dezember 2019 0 Von Holm Bourne

Ist das jetzt noch Weihnachten oder schon Jule? War nicht gerade erst Lucia- und Lichterfest? Und wo halten sich denn die Nisse übers Jahr auf?

Die letzten Wochen waren erwartungsgemäß von der Vorfreude auf und der Planung für Weihnachten geprägt. Allenthalben gab es reichlich Weihnachtsmärkte und das kommende Julefest war in aller Munde. Wie uns von einem Wikingerexperten vom gleichnamigen Hof hier erklärt wurde, hat das Julefest, was gleichbedeutend mit Weihnachten verwendet wird, nichts mit der Geburt eines Heilands zu tun. Viel mehr sei es ein heidnischer Gebrauch gewesen, der sehr viel mit dem gemeinsamen Trinken von viel Alkohol (Met) und infolgedessen dann auch mit Essen zu tun hatte.

Durch die Christianisierung kam es später zu einer Umdeutung oder sagen wir lieber Ergänzung im Brauchtum. Offenbar wäre es jedoch zu schade, die dunkle und kalte Jahreszeit nur für ein Fest zu verwenden und damit wertvolle Gelegenheiten für gemeinsames Feiern ungenutzt verstreichen zu lassen. Nicht mal zwei Wochen vor Weihnachten gab es also noch alternative Festivitäten.

Liedgut vs. Grillgut

Da war zum einen das Luciafest im Kindergarten. Dabei ziehen die Kinder singend, in weißen Hemdchen, mit Kerze und Lichterkranz, erst durch den örtlichen Supermarkt und später durch die eigene Kita. Sind die Kinder etwas älter, also vernünftiger oder zumindest berechenbarer, stecken am Lichterkranz auch mal brennende Kerzen. Das heimelt nicht nur die Atmosphäre an, sondern soll auch schon Ursache gewagter Kurzhaarfrisuren, noch kurz vor Weihnachten, gewesen sein.

Luciafest

Mit dem Luciafest in der Kita in Gegenwart der Familien, bei Kaffee, Kuchen und Keksen, ist Jahresausklang, Weihnachtsfeier und Elterntreffen vollbracht. Den gemeinsamen Plausch vollzieht man dann nicht nur beim Gebäck, sondern gerne auch beim gemeinsamen Basteln der Weihnachtsgestecke für zu Hause.

Ähnlich verläuft das Lichterfest, lysfest. Diesmal im Hort der Grundschule. Ganz ohne weißes Hemdchen, dafür in zivil und mit Laterne geht es zu einem Spaziergang durch den Ort. Währen die Dämmerung bereits einbricht, findet man sich im benachbarten Feierabendheim ein. Die Kinder singen, kassieren Süßigkeiten und machen sich auf den Rückweg. Wieder erfolgt der gemeinsame Ausklang im Hort, mit den unvermeidlichen, doch frisch gebackenen Æbleskiver und Kakao.

Und zwischendrin immer auch die Jule-Nisse. Diese koboldartigen Wesen aus der weihnachtlichen, dänischen Zauber- und Unterwelt. Diese wollen mit Milchreis belohnt werden, für die Aufsicht von Haus und Hof. In einer Kombination aus Nikolaus und Osterhase, galt es nämlich in den Betreuungseinrichtungen jeden Tag Süßigkeiten (dän: slik) zu finden., die von jenen versteckt wurden.

Und was passiert zu Hause

Parallel dazu waren wir mit der Planung des familiären Weihnachtsfestes beschäftigt. Es würde ja das erste Mal sein, dass wir – ohne die weitergehende Großfamilie – in der neuen Heimat die Feiertage verbringen. Jenseits der überbordenden Wünsche nach Ninjago, Pokémon oder Hotwheels versuchen wir jedes Jahr ähnlich verzweifelt, den Kindern ihre Wünsche zu erfüllen. Regelmäßig erleben wir dabei den Zielkonflikt, Kommerzialisierung und Massenproduktion schon im Kleinen, Einhalt zu gebieten.

Also halten wir uns an die – nordischen – Ursprünge und feiern wie die Wikinger mit reichlich üppiger Nahrungsaufnahme. Das ist auch die Gelegenheit für unsere Ente, die seit der jüngsten Hausschlachtung im Kühlfach auf ihren Einsatz wartet. In Verbindung mit dem reichlich vorhandenen Rotkohl und den hier nur kaum bis gar nicht bekannten Knödeln, sollte sie das Highlight des Weihnachtsessens werden.

Mit den Bordmitteln einer Ferienhausküche ist das gar nicht so einfach. Spätestens wenn es darum geht, den gefüllten Vogel für seine Wärmebehandlung wieder zu verschließen. Als einzig passendes Provisorium erschien uns da eine 15cm-Kreuzschlitzschraube, mit der wir tatsächlich das Bürzel verschrauben konnten. Was in der modernen Chirugie angewendet wird, kann in unserer Küche nicht so falsch sein.

Entenschraube

Da seit Generationen in unserer Familie der „gute Braten“ von den Jüngsten verschmäht wird, um sogleich nach Pasta zu verlangen, sollte es diese am zweiten Feiertag geben. Wir fanden das Rezept für Weihnachtslasagne, das an anderer Stelle allerdings auch zu einem der schrecklichsten Rezepte auf der Plattform Chefkoch, gekürt wurde. Kein Grund für uns, es nicht auszuprobieren (Nachtrag: Leider war sie wirklich ein Reinfall und die Hälfte blieb übrig.).

Ein zum Bersten gefüllter Kühlschrank hält uns täglich vor Augen, was unsere Mission für Weihnachten sein muss. Neben all der Besinnlichkeit und dem zuvor Erwähnten. Es bleiben uns dazu noch Aufläufe und Gemüsegerichte aus deren gesammelten Resten letztlich noch eine gemischte Pizza abfällt. Es sind diese Erfolgserlebnisse die einem gerade zu Weihnachten verdeutlichen, was man selbst über die Feiertage verstoffwechselt hat.

Wir sind schon all hier

Angesichts solcher Leistungen ist Weihnachten in Dänemark für uns nicht so anders als früher in Deutschland. Trotzdem oder gerade deshalb scheint die Möglichkeit, hier zu zelebrieren, immer interessanter zu werden. Nicht nur die deutsche Minderheitenzeitung in Dänemark berichtet davon, dass immer mehr Deutsche dieses Weihnachten in einem dänischen Ferienhaus verbringen.

Auch auf unserer Insel jubelt vor allem die Fährgesellschaft darüber, dass die Fähre von Sassnitz seit Langem eine enorme Auslastung erlebt. Doch leider bleibt es bei der Taktung von einmal (samstags!) pro Woche. Das öffentliche Leben zeigt sich davon unbeeindruckt, doch im Stillen freut man sich wohl über die außerplanmäßigen Einkünfte aus der Ferienhausvermietung. Die Supermärkte sind jedenfalls vorbereitet. Diese haben ohnehin schon immer jeden Tag geöffnet, außer an Feiertagen. Doch auch das ist nun hinfällig und der Nachschub für Gaumenfreuden ist gesichert.

Wir nutzen die Gelegenheiten und wünschen unseren Familien, Freunden, Gönnern und allen unseren Lesern ein ruhiges Weihnachtsfest. Schöne Feiertage!
Und vorsichtshalber auch schon mal ein Frohes Neues Jahr. 2020 kann kommen – wir sind schon hier.