Kaltstart Bornholm
Wer konnte denn bitte ahnen, dass es in Skandinavien kalt wird. Wir kamen schließlich her, weil Bornholm Sonnen- und Sommerinsel genannt wird. Doch es deutet sich immer öfter an, dass die Temperaturfrage für uns zur Schicksalsfrage geworden ist.
Der sehr geschätzte wöchentliche Podcast von Radio37 arbeitet sich gerade an der Frage ab: „Was machen die Bornholmer eigentlich im Winter?“ Für uns gibt es darauf eigentlich nur eine Antwort: Frieren!
Wenn es darüber hinaus noch irgendwelche empfehlenswerte Aktionen und Einrichtungen geben sollte, so müssten diese sich für uns an der vorherrschenden Innentemperatur oder dem Zugang zu einer heißen Dusche bewerten lassen.
Als wir unser Haus vor einem knappen halben Jahr gekauft und bezogen haben, gab es dort eine kombinierte Holz-Öl-Zentralheizung, die auch das Wasser erhitzt. Der Öltank war leer und der Vorbesitzer meinte, dass die Option mit Öl zu heizen so gut wie nie genutzt wurde. Holz ist lokal und reichlich verfügbar und eigentlich wird auch nur geheizt, wenn jemand duschen möchte. Im Stall befand sich noch eine Wand voll gestapeltes Brennholz und die Zusicherung, dass alles funktioniert, gab es zum Kaufvertrag dazu.
In meiner Kindheit, als ich nach der Schule nach Hause kam, war es meine Aufgabe die kalte Wohnung vorzuheizen. Sollte ich je eine pyromanische Phase gehabt haben, so war dies meine Gelegenheit sie auszuleben. Trotz der ungeliebten Verpflichtung und meinem noch unbekümmerteren Beitrag zu einer verfehlten CO2-Bilanz, übt das Feuern als solches ja eine gewisse Faszination aus. Der Stolz, wie ihn vielleicht nur noch die Heizer auf der Dampflok kannten, etwas erschaffen zu haben, nämlich das Feuer, dass wiederum alles um sich herum vernichtet und jegliche Materie in den egalitären Zustand seiner Kohlenstoffatome zerstäubt.
Heiße Öfen auf Bornholm
So in etwa habe ich auch jüngst meine Heiz-Rituale erlebt, insbesondere dann, wenn ich das herbstliche Frösteln gegen Minuten wohliger Wärme eintauschen konnte. Es hätte unendlich lange so weitergehen können. Es wurde zwar nicht im ganzen Haus gleich warm, die Heizkörper mussten ständig entlüftet werden und die Holzvorräte schwanden zusehends, da spätestens nach 20 Minuten eine halbes Billy-Regal nachgelegt werden musste. Irgendwann wies uns auch der Holzlieferant unseres Vertrauens darauf hin, dass selbst sein unerschöpflicher Vorrat langsam zur Neige gehe und wir wenn, falls überhaupt noch, lediglich feuchtes Holz erwarten dürften. Das war kurz vor Weihnachten.
Dänemark verfolgt sehr ambitioniert und auch relativ erfolgreich die Klimaziele, die einst vereinbart wurden, um den Klimawandel aufzuhalten. Dazu gehört auch der Austausch von Heizungen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten. Hin und wieder gibt es Förderprogramme, die für diesen Wechsel finanzielle Anreize schaffen. So konnte man sich ab letzten Oktober für einen recht üppigen Zuschuss bewerben, um diese Erneuerung vornehmen zu lassen. Wir hatten bereits einige Angebote für eine Luft-Wasser-Wärmepumpe angefragt, die zwar weniger preislich und vielmehr von Ihren Leistungsdaten auseinander drifteten und gingen davon aus, dass wir vor dem Winter, schon auf eine nachhaltigere Heizvariante umsteigen konnten.
Es ist ein Rost gesprungen
spontaner Ausruf nach der Durchsicht des Ofens
Als das Förderprogramm freigegeben wurde, hatte man jedoch den Andrang der Dänen danach unterschätzt. Aus einer erwarteten Bearbeitungszeit von 1-2 Wochen wurden fast zwei Monate. Zu den Förderbedingungen gehörte es aber, dass mit der Installation erst begonnen werden sollte, wenn der Antrag bewilligt wurde. Im späten Herbst des Jahres 2020 warteten also unzählige Hausbesitzer, Monteure und Wärmepumpenhersteller darauf, noch vor Einbruch des Winters die Installation durchführen zu können.
Cool bleiben
Wir hatten also im Dezember unsere Bewilligung in der Hand und zwei bis drei Firmen, die darauf warteten, von uns den Auftrag zu erhalten. Vielen anderen der zuvor hoffnungsfroh Wartenden ging es aber offensichtlich ähnlich. Denn wie wir feststellten, gab es nun wieder Wartezeiten bei den Installationsfirmen und der Traum eines elektrisch beheizten Weihnachtens verpuffte wie das Holzgas in unserem Ofen. Nicht tragisch, dachten wir, und heizten weiterhin mit Holz. Das war noch da und es gibt Stellen im Haus, die weiteres Brennholz bereit stellten, wenn man nur die Sanierung etwas vorziehen würde.
Mitte Januar gab es ein Leck. Nicht das uns vertraute, was die Ursache für das Dauer-Entlüften der Heizkörper gewesen sein musste, sondern ein anderes. Ein Neues! Inmitten des rostigen Brennraums des Holzofens, ergoss sich plötzlich ein stift-dickes Rinnsal, zuerst auf das Holz, dann auf die darunterliegende Asche und dann hinaus in die Welt, nachdem es noch die Waschküche (dänisch: bryggers) durchquert hatte. Zuerst wundert ich mich, dass das Brennholz wirklich sehr feucht sein müsste, wenn es dermaßen zischen würde während seiner Aschewerdung. Doch es war nicht das Holz, sondern eben diese unerschöpfliche Quelle russgetränkten Wassers.
Der hinzugerufene Sanitä(r)ter wusste auch nicht so recht, wie das betagte Gerät noch zu retten sei, da seine Lebenserwartung – selbst für dänische Verhältnisse – weit überschritten zu sein schien. Als Provisorium gab es noch ein Schraube, die in zwei Minuten in das Leck hineingebohrt wurde, um das Gefließe in ein Getropfe abzumildern. Ein Aufwand der uns später knapp 150€ kosten sollte – wegen der Anfahrt vermutlich.
Warum müssen wir eigentlich im Land mit den glücklichsten Menschen der Welt, andauernd Pech haben?
häufige Sinnfrage von Einwanderern nach Dänemark
Immerhin hatten wir nun, mit Kleinkindern in einem unheizbaren Haus, während es sich draußen knapp der Null Grad (von oben) annäherte, ein gewisses Drama vorzuweisen, um die mögliche Wartezeit bis zur Montage zu beschleunigen. Tatsächlich sollte es jetzt nur eine Woche dauern, nachdem wir uns für ein Modell, Marke und Installationsfirma entschieden hatten. Tagsüber, mit dicken Jacken und Pullovern beim häuslichen homeschooling im lockdown, versammelt um den einen (wärme-)strahlenden Radiator im Wohnzimmer, verbrachten wir den nächtlichen Kryo-Schlaf bis zur Nasenspitze in zwei Decken eingerollt.
Das war nicht das Mittelalter, denn die hatten noch offenes Feuer im Haus, das war eher Steinzeit!
Endlich warm…
Es heißt ja Montage weil sie am Montag beginnen sollte. Am Freitag Nachmittag zuvor lieferte eine Spedition – für uns überraschend – zwei große, jeweils fast 200kg schwere Geräte auf Palette an. „Frei Bordsteinkante“ ist ja eine geläufige Formulierung, für Anlieferungen, aber wie das auf dem Land umgesetzt wird, wo es weit und breit keinen Bordstein gibt, war uns nicht klar. Mangels weiterer Befahrbarkeit standen die Geräte letztlich auf dem ersten, zaghaft verteilten Schnee am Rand unserer Zufahrt. Als Ex-Großstädter macht man sich da so seine Gedanken: sehr teure Technik, allein und unbeobachtet weitab vom Haus stehen zu lassen, fällt da eindeutig unter grobe Fahrlässigkeit.
Auf Bornholm scheinbar nicht. Der eilig angerufene, weil einzig erreichbare, Notruf des Handwerksbetriebes, beschwichtigte und meinte, das könne ruhig dort stehen bleiben. Spätestens auf der Fähre hätte man den potenziellen Dieb wieder gefunden und niemand sei so dumm, für solch eine schwere Beute ins Gefängnis zu gehen. Klang einleuchtend und trotzdem könnten wir zumindest noch eines der Geräte, mit Hilfe von drei Freunden und einem Anhänger, noch ein Stück näher an die kommende Baustelle bringen.
Dann war es soweit. Ein paar Tage länger und wir hätten uns komplett an das Leben als Frischlufter gewöhnt. Während wir weiter froren und home-schoolten und home-officten, waren drei Handwerker drei Tage damit beschäftigt uns mitten im Winter eine Heizung einzubauen. Das alles für den Preis eines neuen Kleinwagens, wovon der dänische Staat schon mal den Betrag eines sehr alten Gebrauchtwagens übernehmen wollte. Uns fallen damit also „nur“ noch die Kosten für Nutzung und Verschleiß zu, um im Bilde zu bleiben.
… und arm
Am letzten Tag des Einbaus zeichnete sich bereits deutlich ab, dass der Winter noch einmal zuschlagen und Bornholm den 10-Jahres-Intervall der voll verschneiten Insel einhalten würde. Wir hatten nun eine neue, moderne Heizung und können ohne weiteren Aufwand warmes Wasser und warme Zimmer haben. Obwohl wir das alles schon aus unserem alten Leben in Deutschland kannten, wussten wir es jetzt erst richtig zu würdigen. Hygge funktioniert einfach nicht ohne Wärme. Man muss nur mal diese Einrichtungszeitschriften durchblättern und sich dabei vorstellen, wie man in den durchaus attraktiv gestylten Zimmern mit Mantel umherläuft und kleine Dampfwölkchen ausatmet. Der Wellness-Tempel Badezimmer verdient diesen Namen nicht, wenn man sich in vorsichtiger Rückwärtsbewegung einer Klobrille nähert, die mehr Ähnlichkeit mit dem Eingang eines Iglos hat (nein, nicht Iklo!). Im Umkehrschluss ist es vermutlich auch egal, wie das Zimmer aussieht, wenn man selbst im Winter nichts weiter an sich trägt, als ein (zu Unrecht in Vergessenheit geratenes) Frottee-Stirnband. Die wabernde Hitzte täte ein Übriges und ich könnte buchstäblich dahinfließen vor wonniglicher Zufriedenheit.
Jetzt sind wir schon eine Woche Besitzer und Nutzer einer dänisch-schwedischen Wärmepumpe und sind heilfroh in diesen Tagen des Eingeschneit-seins nicht mehr auf das knapp gewordene Brennholz angewiesen zu sein. Die Familie und das Haus riechen nicht mehr nach Ruß und im ganzen Haus ist eine gewisse Grundwärme eingezogen. Selbst dort, wo die Heizkörper abgestellt sind, was aber mehr mit denen als mit der Wärmepumpe zu tun hat. Nur der Blick auf den extra angebrachten Stromzähler, der nur den Verbrauch der Wärmepumpe misst, verursacht heftige Bauchschmerzen und einen anhaltenden Impuls, jetzt unbedingt die Wärmepumpe komplett ausschalten zu wollen. So haben wir in den ersten sieben Tagen nur für das elektrische Heizen schon so viel Strom verbraucht, wie zuvor in mehr als zwei Monaten normalen Haushaltsverbrauchs. Doch auch dafür haben wir eine Lösung gefunden: einfach nicht mehr auf den Zähler schauen!
Hallo, wir sind eine Familie aus Berlin, die eurer Berichte mit Interesse gelesen hat. Da der letzte Bericht von 2/2021 ist… wie ist es weitergegangen?
Viele Grüße und alles Gute!
Hallo,
seid Ihr noch auf Bornholm ?
Wir würden uns gerne mal mit Euch treffen, wenn es ok für Euch ist.
Gruß aus Snogebaek,
Stephan
Hej, klar sind wir noch hier!
Wie erreicht man euch denn am besten? VG