Federn lassen!

Federn lassen!

19. Februar 2020 1 Von Holm Bourne

Im landwirtschaftlich geprägten Bornholm haben viele Bewohner auch Tiere auf dem Hof. Manche sind gut für Eier, manche für Milch, aber nahezu alle bringen Fleisch.

Wer Fleisch essen will, muss/soll auch schlachten. Was für Stadtkinder – wie uns – erstmal recht abwegig klingt, kann hier sehr schnell Realität werden. Allein schon deshalb weil die Möglichkeiten und das Selbstverständnis der Haus- und Hofschlachtung bei vielen Bornholmern besteht. So überrascht es auch nicht, dass der Melstedgård, das „Zentrum Bornholmer Esskultur“ vor Weihnachten entsprechende Kurse anbietet. Dabei lernt man, unter kompetenter Anleitung, seine Weihnachtsgans oder das Schwein vom Lebewesen zum Lebensmittel umzuwidmen.

Nicht das wir die Absicht hatten, an einem solchen Kurs teilzunehmen, doch unsere Vermieter brachten uns die Hausschlachtung buchstäblich bis vor die eigene Tür. Da die Vielzahl an Hühnern, Enten und Gänsen auf dem Hof auch zu einem wirtschaftlichen Faktor geworden sind, war diese Maßnahme wohl unausweichlich. Eine gerupfte Ente in der Kühltruhe braucht eben weniger Unterhalt als eine freilaufende.

Apropos! Im Gegensatz zu jedem Geflügelschnitzel aus den umliegenden Kaufhallen, sind wir täglich Augenzeugen, dass es den Tierchen hier sehr gut geht, sie freien Auslauf genießen und sich mit Wonne auf Futter, Würmer und Küchenreste stürzen.

Selig sind die Nichtwissenden und so wollten wir dem Ereignis auch Fernbleiben indem wir unseren Dänischkurs vorschoben. Wir waren uns prinzipiell einig, dem Ereignis nicht beiwohnen zu wollen. Zu groß war die Befürchtung, dass einem der Bissen (Fleisch) schon bald im Halse stecken bleiben würde. Andrerseits gehören wir jetzt zur Landbevölkerung. Als solcher dürfte uns das Auffädeln der Nahrungskette nicht länger fremd sein.

Schlachtenbummlers Arbeitsethos

Das Schicksal bot uns einen Kompromiss. Als wir vom Kurs zurückkehrten war das Blutigste bereits abgeschlossen. Trotzdem war noch genug zu tun und zu helfen. Und blieb das große Federlesen – für die Feinheiten, die von der Maschine übersehen wurden. Zudem konnten wir der Vögel Innerstes nach außen kehren und dabei Anatomiegrundlagen wiederholen.

Der freundliche Hacke-Peter, der dänische Dienstleister der die Hausschlachtung aktiv unterstützte, gab uns nicht nur Einblick in die Exekution und Aufarbeitung. Aufgeputscht vom möglichen Blutrausch des Tages und der zugegeben, optimal laufenden Aufteilung und Taktung, erhielten wir von ihm auch noch Einblick in das dänische Verhältnis zur Arbeit. Eben mit Hinblick auf dieses, erklärte er am Ende der Mission, zur Verblüffung der Anwesenden, sein gefordertes Honorar um die Hälfte zu reduzieren. Diese grundsätzliche Haltung, Befriedigung aus dem Inhalt und nicht aus der Bezahlung für seine Arbeit zu ziehen, war gerade in den letzten Monaten ein unerreichbares Ideal für uns gewesen.

Am Ende des Tages fanden dann noch je eine der Enten und Hühner Ihren Weg in unseren Kühlschrank. Beiden widmeten wir einen Hauptgang, u.a. zu Weihnachten. Die befürchteten Skrupel, heiße Vögel aus der Nachbarschaft zu verspeisen, blieben zum Glück aus. Wer ohnehin schon Vegetarier bei uns war, ist es geblieben. Wer gerne Fleisch isst, tat das schon seit längerem sehr bewusst und selektiv. Das hat sich nicht geändert.

Perlhuhn im Topf
Eine Vogelkochzeit

Kurz nach diesem Ereignis waren die erworbenen Fähigkeiten bereits gefragt. Aus dem verschonten Trio aufgeregter Perlhühner, entschied sich ein Exemplar für den Suizid am Gartenzaun. Da jede Hilfe – nur Sekunden – zu spät kam, entfernten die Eigentümer erst den Kopf und dann sich selbst vom Hof. Alle weiteren Schritte wurden an uns delegiert. Völlig überrumpelt teilten wir uns das Rupfen und Ausnehmen auf. Das erste Tier kostet wohl die größte Überwindung. Weitere gab es bisher nicht, muss es auch nicht geben: Das Tiefkühlfach ist noch voll.