Landleben

Landleben

22. September 2019 0 Von Sophie

„Wie ist es für dich als Großstadtpflanze nun auf dem Land zu leben?“, fragte mich eine Freundin neulich.

Wir wohnen aktuell mitten zwischen Getreidefeldern in einem sanierten Bauernhaus mit großem Garten, in der Nähe der Kleinstadt Aakirkeby.
Die „gute Landluft“ war das erste, was uns allen direkt bei der Ankunft auffiel.
„Iihhh, das stinkt hier aber“, kam es vom Jüngsten. Und ja, es stank fürchterlich nach Gülle.
Wer wie wir aber jahrelang direkt an einer vielbefahrenen Straße gewohnt hat, in der Autoabgase mit dem Geruch von Dönerfleisch gepaart, den Weg in unsere Wohnung gefunden haben, der nimmt diesen neuen Duft liebend gern an. Ich persönlich rieche den Dung nach über einem Monat kaum noch vereinzelt. Vielleicht sind aber die Geruchssensoren auch nur komplett betäubt.

Insgesamt ist die Luft Bornholms frisch und sauber. Man spürt die Nähe zum Meer und ist dabei Wind und Wetter viel stärker ausgesetzt als in einer Altbau-Stadtwohnung im 3. Obergeschoss. Die letzten Nächte waren allerdings ziemlich stürmisch und haben auch im Garten bereits einige Astbrüche verursacht.

Irgendjemand sagte einmal, dass man auf Bornholm sehr nah in und an der Natur (und am Wetter) lebt. Und das stimmt, gerade da wo wir aktuell wohnen. Als Stadtmensch hält man sich Tiere aus eigener Entscheidung heraus, hier wohnen wir gemeinsam mit sicher 100 Spinnen und Ohrenkneifern, es fliegen kleinere Raubvögel über, und laufen fasanenähnliche Vögel durch den Garten. Es gibt eine fröhliche fremde Katze, die uns herzzerreißend mautzend um Futter anbettelt und ihren Schlafort auf dem Kompost eingerichtet hat. Im kleinen Gartenteich hüpft mindestens ein grüner Frosch herum und in den Hecken sitzen wild krakeelende Spatzen und Amseln. Im Abendlicht springen Feldhasen und Rehe über die abgeernteten Äcker.

Und passend dazu – und klischeehafter geht es kaum – ist die Ruhe auf dem Land einfach toll. Keinen Autoverkehr zu hören, keine quietschende Straßenbahn, die sich um die Ecke schiebt, kein Gebrüll von betrunkenen Imbissbesuchern oder Partygeräusche vom Kino gegenüber. Man hört nur das Rauschen der Bäume, ein paar vorwitzige Frühaufsteher-Vögel oder mal das Tuckern einer fernen Landmaschine. Sonst nichts! Ruhe… Stille… Es ist so leise, dass ich nachts das Tapsen der Katzenpfoten auf der Holztreppe höre.

Es ist wunderbar.

Nachtrag

Leider muss ich einen Teil der oberen Landleben-Beobachtung zurücknehmen! Wenige Tage nach dessen Veröffentlichung ereilte uns eine gigantische Gülle-Zuwendung. So extrem, wie wir sie noch niemals erlebt und errochen haben.
Auf dem Weg zum Auto (10m!) mussten wir uns die Nase zuhalten, weil wir mit Würgereiz, Halskratzen und einfach Ekel zu kämpfen hatten. Man muss es sagen wie es war: es war bestialisch. Der feine stinkende Nebel hängt auch nach Tagen noch immer in der Luft und das Lüften ist komplett unmöglich. Wir tragen den Geruch mit dem Auto, den Haaren und der Kleidung über die ganze Insel und beglücken damit unsere Mitmenschen.

Nun hat es gerade stark geregnet und damit ist eventuell auch ein Teil der Gülle-Besprühung auf den Feldern verdünnt und das normale Atmen im Garten wieder möglich. Hoffentlich!