Zeugenschutzprogramm im Bürgeramt

Zeugenschutzprogramm im Bürgeramt

1. April 2020 1 Von Holm Bourne

Nach der CPR-Nummer ist die Nem-ID die nächste Hürde, die es zu nehmen gilt, um in der dänischen Verwaltung anzukommen und integriert zu sein.

Von unserem Hindernislauf durch die dänische Administration zur Erlangung einer Personenkennzahl, die uns zum vollständig gläsernen Bürger macht, haben wir bereits berichtet. Doch damit nicht genug. Denn um sich als legitimer Inhaber dieser CPR-Nummer zu authorisieren, benötigt man noch die sogenannte Nem-ID. Ohne zu viel zu verraten, dürfte wahrscheinlich klar sein, dass es damit aber noch nicht getan ist.

Auch wenn die Nem-ID sehr nach einer einzigen Nummer klingt, ist es gleich ein ganzes Bündel derer, die am besten mit den TAN-Nummern beim Online-Banking vergleichbar sind. Bei jedem der Einlogversuche mit seiner persönlichen Bürgernummer und einem selbst gewählten Zahlencode, wird ein bestimmter, einmalig gültiger Zahlencode aus diesem Heftchen abgefragt. Erst damit ist man vollständig eingeloggt und authorisiert.

Ebenso gibt es auch eine ziemlich praktische App für das Mobiltelefon, mit der nicht mehr einzelne Zahlencodes aus dem Nummernkärtchen raus gesucht werden müssen. Stattdessen meldet sich die App jedes Mal wenn die eigene ID irgendwo zum Einsatz kommt. Bestenfalls hat man das selbst verursacht und sieht dann auf dem Telefon die Anfrage dafür, um sie mittels Schieberegler auf dem Display freizugeben.

Die Blockchain blockt

Bis auf sehr wenige geduldete Ausnahmen ist jeder Bürger verpflichtet, sich eine Nem-ID zuzulegen. In einem Land mit sehr geringen (personellen) Ressourcen ist es auch kaum anders möglich, eine maximal automatisierte Verwaltung am Laufen zu halten. Ganz zu schweigen von den gesparten Portokosten, da auch jegliche Korrespondenz über ein eigenes, zugehöriges E-Mail Postfach geführt wird. Im Gegensatz zu den deutschen Vorbehalten gibt es durch die eindeutige Zuordnung der Verwaltung auch keine Zweifel an der Erreichbarkeit des gewünschten Empfängers.

Umso unverständlicher, dass es uns nach der CPR-Nummer, für die wir bereits umfassend die Hosen runtergelassen hatten, so schwer gemacht wurde, diese Kennung zu erhalten. Eigentlich sollten wir diese bei der Gemeindeverwaltung erhalten. Doch da hieß es, dass wir als Ausländer einen einheimischen Zeugen, zumindest einen mit bestehender ID mitbringen müssten, der unsere Existenz bezeugt.

Etwas in mir war schwer begeistert, dass hier die Blockchain, wie sie in Kryptowährungen verwendet wird, so ein analoges Revival erlebt. Diese Art, eine Vertrauenskette zu etablieren ist ja eher selten. In diesem Zusammenhang ist das vielleicht innovativ, aber nachdem wir mit unseren Pässen bereits erfolgreich die eigene Identität nachgewiesen hatten, trotzdem unnötig. Davon unabhängig, wüsste ich nicht, wer hier, in einem fremden Land, unsere Angaben bezeugen können sollte. Genau genommen, könnte ich noch nicht einmal selbst bezeugen, dass Ich wirklich „Ich“ bin. Dass die Angaben zu meinem Namen und Geburtsdatum korrekt sind, weiß ich auch nur durch meinen Pass und meine Eltern, die mir gelegentlich von jenem denkwürdigen Tag berichteten. Selbst kann ich mich daran nicht mehr erinnern…

Wenn zwei das gleiche tun

Inzwischen waren wir schon zwei mal bei der Gemeindeverwaltung. Die zuständige Sachbearbeiterin wurde nicht müde, diese Bedingung zu erklären, auch nicht wenn meine Einwände am argumentativen Grundgerüst wackelten. Es bleibt in dem Fall nur, so sagte sie schulterzuckend, die Frist von fünf Jahren abzuwarten, bis sich diese Auflage erübrigen würde. Es war zum Verzweifeln.

Neben der Hauptverwaltung in Ronne, gibt es in den meisten kleineren Städten auch noch einen Ableger. In solch einem Büro unserer Kleinstadt schlug ich dann einmal auf, weil ich gerade da war. Es dauerte ungefähr zwei Minuten, um mein Anliegen in gebrochenem Däenglisch darzulegen und noch einmal zwei weitere Minuten, bis ich das Code-Kärtchen meiner eigenen Nem-ID in den Händen hielt. Ohne weitere Rückfragen natürlich!

In meinem Studium hieß es, „dass ein Merkmal der Bürokratie, die einheitliche, nachvollziehbare Bearbeitung von Vorgängen“ sei. Wenn nun aber offensichtlich kein einheitliches Vorgehen besteht, ist das dann noch Bürokratie?