Ganz aus dem Häuschen!

Ganz aus dem Häuschen!

30. Juni 2020 6 Von Holm Bourne

Ausziehen, um wieder einzuziehen. Aber woanders. Doch dieses Mal nicht als Mieter, sondern erstmals als Eigentümer.

Zugegeben, der Plan war sehr ambitioniert. Nachdem uns unverhofft die Obdachlosigkeit drohte, sahen wir nur zwei Auswege: ein schnelles Ende unseres Abenteuers Bornholm mit Rückkehr nach Deutschland oder die wenig aussichtsreiche Suche nach einer alternativen Unterkunft inmitten der Hochsaison.

Unser ursprünglicher Plan sah einmal vor, sich in der eigenen Immobilie niederzulassen, doch bei allen Recherchen, gab es stets etwas zu bemängeln. Es ist erstaunlich, wie flexibel man in seinen eigenen Ansprüchen wird, wenn einem existenzielle Nöte im Nacken sitzen. Und so gab es für uns noch eine weitere Option. Der beschleunigte Entscheidungsprozess bei der Auswahl unter elastischer Ausreizung des eigenen Anspruchsniveaus. Das klingt auch für mich schlimmer als es tatsächlich werden sollte.

Immobilien nur für Immobile

Während alle EU-Bürger dann doch irgendwie überall in der EU Immobilien erwerben können, geht Dänemark auch wieder einen Sonderweg, den es zur Bedingung des Beitritts machte. Grundsätzlich kann man ein Haus in Dänemark nur dann kaufen, wenn man auch hier lebt, also hier gemeldet ist. Dass das nicht so einfach ist, hatte ich schon einmal ausgeführt.

Das gilt für die meisten Arten von Häusern oder Grundstücken. Ausnahme sind Ferienhäuser. Um ein solches zu erwerben, muss man mindestens fünf Jahre in Dänemark leben. Oder man kann eine sogenannte enge Bindung an das Land nachweisen, wie bspw. über Jahrzehnte hinweg regelmäßig hier den Urlaub verbracht zu haben.

Eine Preistreiberei und Massengentrifizierung, wie in anderen europäischen Städten, hat man somit vermeiden können. Gerüchteweise sind allerdings auch viele dänische Investoren daran beteiligt. Und womöglich wünscht sich so mancher dänischer Immobilienbesitzer eine ähnliche Marktdynamik wie in Mitteleuropa

Die nächste Unterteilung erfolgt dann noch in Häuser mit oder ohne Aufenthaltspflicht. Damit in der Nebensaison nicht die Innenstädte verwaisen, gibt es Gebiete in denen die Immobilien eben durchgehend bewohnt sein müssen. Dabei ist es egal, ob vom Eigentümer selbst oder seinem Mieter. Ganz nebenbei lässt sich damit auch spekulativer Leerstand vermeiden.

Auf Hausjagd

Wir waren bereit all diese protektionistischen Anforderungen zu erfüllen und machten uns auf die Jagd – ein Makler wünschte uns tatsächliche eine „Gute Hausjagd!“. Gebrandmarkt von der Suche in Deutschland ist Dänemark für uns das Eldorado der Haussuche. Ein transparenter Markt, der so ziemlich alle Informationen zum Grundstück und Gebäude zur Verfügung stellt. Kein verschämtes Verschweigen der Adresse des Objektes oder andere Pseudo-Diskretionen. Ob ein Haus zum Verkauf steht ist so eindeutig, wie die Sonderangebote im Supermarkt. Die Webseiten der Makler verweisen zum Teil sogar auf die Angebote anderer Maklerfirmen.

Hinzu kommt, dass alle Häuser katalogisiert sind und die Informationen im Internet abgerufen werden können. So erfährt man Details zur Größe, Lage, Bauweise, Hochwassergefahr und sogar über die bisherigen Kaufpreise, fällige Steuern, Internetgeschwindigkeit oder die Energiebilanz. War es in Deutschland für uns oft schwer, ein überhaupt Haus zu finden, das in Frage kommt, besteht das Dilemma in Dänemark darin, die Entscheidung für eines der Häuser zu treffen.

So gewappnet haben wir sogar kurzfristig ein kleines Reihenhaus in zentraler Lage gefunden. Dieses Angebot war allerdings zu gut, so dass wir bei der starken Nachfrage leider nicht zum Zug kamen.
Eigentlich wollten wir sowieso etwas Größeres haben. Mehr Nebengelass und mehr Grundstück. Dafür qualifizierte sich ein anderes Gelände im Süden der Insel. Fast hätten wir es schon gekauft, fanden dann aber doch keine Lösung für den darin befindlichen Mieter und die massive Verwendung von Asbest.

Nordbornholm vs. Südbornholm

Die Zeit wurde immer knapper und als einzig akzeptables Objekt gab es nur noch einen Hof, ziemlich weit im Norden von Bornholm. Nach unserem bisherigen Insulaner-Verständnis waren wir immer Süd-Bordholmer und bevorzugten diese Lage. Im Süden befinden sich die drei größten Städte Bornholms, Flughafen, Fährhafen und Schnellstrasse. Außerdem gibt es hier die schöneren Strände, wenn man feinen Sand unter den Füßen bevorzugt.

Der Norden hingegen ist etwas rauer und damit sind nicht nur die Fels- und Geröllküste gemeint. Weniger Supermärkte, Schulen und öffentliche Angebote sind der Alltag im etwas provinzielleren Teil. Ein Haus in dieser Gegend sollte es schwer haben, auch den Weg in unsere Herzen zu finden.

So war dann der finale Kandidat auch keine Liebe auf den ersten Blick. Ein Vier-Seiten-Hof mit einem kleinen Bauernhaus über zwei Etagen und kleinem Keller. Um den Innenhof stehen dann noch drei weitere Gebäude, die als Stall, Scheune, Werkstatt und Garage reichlich Platz bieten. Es besteht sogar noch genug Platz, um unsere fixe Idee von Herrichtung möglicher Ferienwohnungen, zu realisieren. Am Ende einer kleinen Nebenstraße sind wir ganz für uns. Bis zum nächsten Nachbarn sind es vielleicht 500m, bis zum Meer drei Kilometer.

Ebenso lassen sich dort reichlich Tiere unterbringen und das Grundstück hat genug Fläche um theoretisches Wissen um Biodiversität, Gärtnerei und Selbstversorgung endlich in die Praxis zu übertragen. Denn auch hier gilt das alte Sprichwort:

Liebe vergeht, Hektar besteht.

Thüringer Bauernregel

Der Zustand ist zwar nicht perfekt, aber in jedes andere, bestehende Haus würden wir wohl ähnlich viel Arbeit investieren, um es unseren Ansprüchen und Geschmack Nahe zu bringen. Die perfekte Gelegenheit, um meinem innerfamiliären Ruf als missverstandenes Heimwerker-Genie etwas entgegen zu setzen.

Mit Kronen zahlen

Eigentlich hatte bereits ein anderer Käufer den Kaufvertrag für dieses Haus unterschrieben. Jener wartete allerdings noch darauf, dass sein eigenes Haus verkauft wird. Die Bank finanziert in der Regel nur eines – jenes in dem man wohnt – wenn der durchschnittliche Däne ohnehin alle sechs Jahre umzieht. Diese Kreditrate ist in einer Kultur der Hausbesitzer, das Pendant zur monatlichen Miete. Glück für uns, denn das dänische Recht gibt für eine solche Situation eine klare Regel vor. Gibt es einen weiteren Kaufwilligen, so hat der bestehende Käufer drei Tage Zeit, den Kaufpreis zu zahlen, andernfalls erhält der neue Käufer den Zuschlag für das Haus. Dieser muss dann innerhalb von acht Tagen zahlen.

Üblicherweise zahlt man das Haus hier mit Hilfe seiner Bank. Dänen sind Weltmeister im Schulden machen. Doch egal wie solvent wir sind, die dänischen Banken investieren nicht in uns, wenn wir keine Anstellung haben. Das soll vor einigen Jahren noch anders gewesen sein. Da muss wohl eine freundliche Begrüßung in der Bank und die Fürsprache des Maklers ausgereicht haben, um ohne weiteres den notwendigen Kredit zu erhalten.

Uns half in dieser Situation nur der eigene Kontostand. Was in Deutschland als wohlwollende Anzahlung akzeptiert worden wäre, reicht hier aus, um den Großteil des Hauses zu bezahlen. Den Rest ermöglicht ein überschaubarer Privatkredit aus der alten Heimat. Einen solchen Betrag dann noch in dänische Kronen zu tauschen, ist ein Kapitel für sich. Bargeld geht nicht, Euro sowieso nicht, weshalb wir noch einen spontanen Ausflug nach Rügen einlegen mussten, um vor Ort das bedruckte Papier in elektronische Wertangaben auf dem Konto zu wechseln.

Immer noch VOR Schloß und Riegel

Nun sind es nur noch wenige Stunden bis zum Monatswechsel. Verkäufer, Makler, Notar und Staat haben Ihr Geld erhalten, doch den Schlüssel zum Haus erhalten wir erst, wenn diese den Geldeingang bei sich bestätigten. Wir sitzen wieder einmal auf gepackten Kisten. Nebenbei versuchen wir noch ein paar, zumindest provisorische Möbel, wie Sofa oder Bett zu organisieren, auch wenn wir nicht wissen, wo wir diese bis zum Einzug abstellen sollen.

Uns ist klar, dass die nächsten Tage eine Herausforderung werden. Wir brauchen einen Hausstand, den wir uns auf der Insel und nun auch mit einem größeren Transport aus Deutschland besorgen werden. Wir werden uns Werkzeuge und Gartengeräte zulegen müssen, an denen wir im Baumarkt bisher immer vorbei gegangen sind. Wir werden uns und die Kinder ummelden und eine neue Schule für sie finden. Wir werden vieles entfernen, umbauen, neubauen, wieder abbauen, verzweifeln, hoffen, verfluchen, recherchieren, diskutieren und dabei altern. Also alles wie immer, doch in einem Haus, in dem wir irgendwann das Gefühl haben wollen, angekommen zu sein.