Auf allen Viren am Strand
Die Welt befindet sich im Krisenmodus. Das Schreckgespenst Corona geht um und wir halten den Atem an.
Man möchte sich öfters kneifen und mal die Augen reiben (soll man ja nicht machen!) angesichts der aktuellen Situation. Was bitte ist denn in den letzten Tagen passiert? Immer häufiger fühlt man sich an Endzeit- oder Zombiefilme erinnert, in denen eine unbekannte Gefahr exponentiell anwächst und das Leben, wie man es kannte, bedroht.
Noch vor einer guten Woche, wussten wir vermeintlich gut Bescheid und sollten mit den gängigen Hygiene-Maßnahmen alles bald überstanden haben. Doch seitdem überschlagen sich die Ereignisse.
Konkret wurde es vor fünf Tagen, als uns deutsche Freunde darauf hinwiesen, dass es eine Ansprache der Premierministerin Mette Frederiksen gab. Darin hieß es, dass ab kommender Woche alle Schulen und Kindergärten in ganz Dänemark für mindestens zwei Wochen geschlossen werden. Wer es mit seiner persönlichen Betreuungssituation vereinbaren kann, möge seine Kinder aber auch schon früher zu Hause behalten. Langsam trudelten dann auch die E-Mails der Kommune ein, die das noch einmal bestätigten.
Da wir gerade tatsächlich nichts Besseres zu tun haben, konnten wir uns relativ umstandslos darauf einstellen und die Kinder sofort zu Hause lassen. Die Schule hat angekündigt mit „Hausaufgaben“ per Internet den Unterrichtsausfall gering zu halten. Mit der deutschen Schul-App Anton arbeiteten wir sowieso schon, um auch mit dem deutschen Unterricht Schritt zu halten.
Lange Zeit unbehelligt
Der digitale Staat ist in Dänemark schon weit entwickelt und viele der Beamten können von zu Hause arbeiten. Die bereits automatisierten Prozesse erleichtern und gewährleisten die gesamte Verwaltung ohnehin für die Bürger. Bleibt also noch der Einkauf. In der Ansprache hieß es, dass wir ruhig und besonnen bleiben können: die Warenversorgung bleibt sichergestellt.
Und in der Tat, in den ersten Tagen waren die Läden etwas voller und die Warteschlange an der Kasse etwas länger. Panikartiges Hamstern fand aber nicht statt. Wie man es von Dänen gewohnt ist, bleibt das Einkaufen eine sehr ruhige und konzentrierte Tätigkeit. Vorsorglich haben wir noch ein Paket Pasta und Kilo Mehl mehr als sonst mitgenommen, schließlich sind die Kinder jetzt dabei und damit ist das Einkaufen sowieso hektischer als ohne.
Heute am Montag, dem 16. März 2020, gibt es den ersten bestätigten Fall von Corona auch auf unserer Insel. Lange Zeit dachten wir, dass die Abgeschiedenheit uns davor bewahren würde. Das öffentliche Leben im stets übervorsichtigen Dänemark findet noch minimal statt. Die Straßen sind so leer als wäre Weihnachten und wer muss, kann auch immer noch genug Lebensmittel (oder Klopapier!) kaufen. Wer mag kann sich auch die Zutaten für Handseife und -desinfektionsmittel kaufen, um sich seine eigene Mischung anzurühren.
Auch wenn uns das unbeherzte Vorgehen in Deutschland von hier aus immer noch zutiefst leichtsinnig vorkommt, haben wir mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Den Unterrichtsausfall von zu Hause auszugleichen, klingt doch irgendwie leichter als es ist. Das Regionalfernsehen bringt Tipps, was sich mit der unverhofften Familienzeit anstellen lässt und man munkelt über anstehende Scheidungs- und Geburtenwellen.
Zwangsentschleunigung
Wirtschaftlich trifft es Bornholm und vermutlich ganz Dänemark besonders hart im Bereich des Tourismus. Am Wochenende wurde der Fährbetrieb nach Sassnitz, bis mindestens Mitte April eingestellt. Allen ist klar, falls es überhaupt eine Saison geben wird, wird diese sehr viel später beginnen. Ostern wird man hier unter sich bleiben und die Politik befürchtet Massenentlassungen in der Hotel- und Gastrobranche. Was Umweltbewegung und Klimapakete über Jahre nicht geschafft haben, erledigt das Corona-Virus im Handstreich.
Wer nicht ganz auf der Strecke bleiben will, muss kreativ werden. Unter den wenigen Restaurants, die das ganz Jahr geöffnet sind, gibt es bereits die Möglichkeit, die bestellten Speisen mit dem Auto abzuholen und sich direkt ans Fahrzeug bringen zu lassen. Oder man kann es sich erlauben, die Arbeiten auf ein Minimum zu reduzieren, so wie die kommunale Müllabfuhr zum Beispiel.
Im Wesentlichen halten wir uns an die Empfehlungen und schränken die Kontakte zu den Mitmenschen ein. Wir kochen und backen vieles selbst und machen Ausflüge an den Strand. Dort begegnet man anderen Schicksalsgefährten, die ebenfalls die Zeit nutzen um bei Sonne, Seeluft und Spaziergang die Abwehrkräfte zu stärken.
Wenn das die Apokalypse sein sollte, begegnet man ihr wohl nirgends so entspannt, wie auf Bornholm.