So ein Kindergarten

So ein Kindergarten

27. Oktober 2019 0 Von Holm Bourne

Lange hat es gedauert, doch nun sind wir – besser gesagt, unser Jüngster – endlich kindergartenversorgt.

„Ich möchte bitte in keine andere Kita als diese!“ lautete der absolutistische Ausruf unseres jüngeren Sohnes, als wir vor Wochen schon eine erste Besichtigungsrunde durch die regionalen Einrichtungen durchführten. Und Recht hat er: nicht nur die Räumlichkeiten sind beeindruckend.

Die dänische Kindererziehung hat ein fantastisches Image. Freie Entfaltung, ausgeprägtes Spielen und der Respekt vor den kleinen Menschen hat absolute Priorität. Was eigentlich wie selbstverständlich klingt, ist in Dänemark offensichtlich so stark verinnerlicht, das sich diverse AutorInnen daran abarbeiten, den dänischen Konsens in der Erziehung, der noch dazu die Grundlage für die weltweit höchsten Werte im Glücksindex bildet, in Ratgeberform zu bringen.

Und so ist es kaum überraschend, dass bei der Kinderbetreuung nicht gespart wird. An verfügbaren Plätzen mangelt es zumindest nicht. Wir konnten uns sogar aussuchen, ob wir den Kindergartenplatz lieber in der Nähe unseres Wohnortes oder doch in der Nähe der Schule unseres Großen, haben wollten.

Einzig das Antragsverfahren war etwas langwierig. Einen Platz in der Kita bekommt man in der Regel über die dänische Personenkennzahl, auch CPR-Nummer, genannt. Auf diese warten wir immer noch und somit hat auch die Kommune keine Informationen über uns, unser Einkommen, unser Steueraufkommen usw. Nachdem wir die Anmeldung in der Schule gewissermaßen im Vorbeigehen erledigen konnten, ist es umso unverständlicher, dass die Integration der jüngeren Kunden so lange aufgeschoben werden soll. Mit dieser Argumentation und bestens trainiert durch den Umgang mit hartnäckigen deutschen Behörden, fand sich aber ein Kompromiss, auch schon früher loszulegen.

Was uns noch am Rande mitgeteilt wurde, kannten wir so auch nicht aus Deutschland. Laut Gesetz dürfen die Einrichtungen keine Gruppenunfallversicherungen abschließen, weshalb den Eltern geraten wird, für das Kind eine eigene Unfallversicherung abzuschließen.

Öffentliche Kita’s sind wirklich offen

Der kommunale Kindergarten ist ein Neubau am Rand der Stadt Aarkirkeby und mehrheitlich von einer Kuhweide umgeben. Die Zufahrt erfolgt über eine Sackgasse durch eine Einfamilienhaussiedlung und nur den üblichen Steinwurf entfernt liegt, das Naturkundemuseum der Insel, NaturBornholm.

Über einen Zahlencode verschafft man sich Zutritt zum Gelände. Übrigens so wie es alle Einwohner auch an den Wochenenden machen können, um den Spielplatz und die Geräte zu nutzen. So steht das Gelände der Kommune auch allen anderen Menschen bei Bedarf zur Verfügung und nicht nur den ausgewiesenen Nutzern dieser Einrichtung.

Innenansicht

In der Mitte des Gebäudes befindet sich ein großer Gemeinschaftsraum mit einem Klettergerüst, Rutsche und Matten. Fallweise wird sicherlich auch noch einiges andere an Spielzeug hinzugefügt.

Zu diesem zentralen Raum gibt es vier seitliche Zugänge von den jeweiligen Gruppenräumen bzw. deren Garderoben und Toiletten. Diese haben auch einen separat Zugang von außen. Außerdem gibt es noch einen Ausgang zum hinteren Garten und natürlich kommt man auch über den Haupteingang, vorbei an der offenen Küche, dem Café, und den Büroräumen dorthin. Durch die großzügigen Oberlichter wirkt der Raum nicht nur groß, sondern auch hell und freundlich.

In jeder Gruppe gibt es ca. 15 Kinder aller Altersgruppen und zwei Erzieher. In Dänemark können Kinder ab 9 Monaten den Kindergarten besuchen, weshalb die Allerkleinsten in einer separaten Gruppe mit eigenem Spielbereich betreut werden. Trotzdem springen die Erzieher auch zwischen den Gruppen hin- und her, so dass die Kinder überall auf einen Erwachsenen treffen können, der mal weiterhilft.

Patschehändchen am Touchscreen

Jeden Morgen betreten wir das Haus also vom entsprechenden Eingang der – in unserem Fall – Seepferdchengruppe. Jedes Kind hat eine Garderobe für seine normalen Sachen und noch einmal eine separate Garderobe für die Matschsachen, die hier ihre absolute Existenzberechtigung wiederfinden.

Während das Kind sich hoffentlich umzieht, checken die Eltern den Nachwuchs an einem Terminal mit Touchscreen ein. Dabei wird gleich angegeben, wann das Kind abgeholt wird oder ob es mit einem anderen Kind (und dessen Eltern) mitgehen darf. Auch Krankmeldungen werden darüber vorgenommen, was bei entsprechendem Online-Zugriff auch von zu Hause möglich ist. Außerdem kann man über dieses Terminal die aktuellen Infos zu Veranstaltungen, den Essensplan oder die neuesten Fotos aus der Gruppe abrufen.

Terminal
interaktive Stechuhr in der Kita

Inzwischen fällt auch bei uns die Verabschiedung wie gewohnt, kurz aber innig, aus. Die Kinder spielen dann zusammen in den verschiedenen Räumen und es sind genügend Erzieher in Reichweite. Ab 9.00 Uhr gibt es ein gemeinsames Frühstück zu dem jeder „bitte nur ein Stück“ Obst oder Gemüse mitbringt. Dabei kann man auch schon der Köchin bei der Vorbereitung des Tagesmenüs zusehen.

Den Vormittag verbringen die Kleinen dann in den jeweiligen Gruppen und Malen, Basteln, „spielen“ Schule oder machen Ausflüge. Recht schnell haben wir verstehen müssen, dass die Kinder an zwei festen Tagen den Vormittag draußen verbringen – egal bei welchem Wetter, denn es gibt eben nur die falsche Kleidung (also unsere!) und niemals schlechtes Wetter. Während wir also schon leidvoll den Blick durch die großen Fenster in die warmen, gemütlichen Gruppenräume schweifen lassen, amüsieren sich die kleinen Wikinger in den Pfützen und stellen sich tapfer dem pfeifenden Wind – und vermutlich sämtlichen Grippeviren – entgegen.

Außer dem gemeinsamen Mittagessen gibt es zudem eine Nachmittagsverpflegung, um die verbleibende Zeit bis zum Abholen zu überbrücken.

Ist das noch preiswert?

Noch in Deutschland fühlten wir uns über die Maßen privilegiert, einen Platz in der besten Kita Berlins bekommen zu haben. Dies allein wäre schon ein Grund gewesen, doch nicht zu gehen. Jetzt sind wir froh und erleichtert, das wir dieses besondere Niveau auch hier erhalten konnten.

Der Vorteil Berlins bestand jedoch vor allem darin, dass die wesentlichen Kosten der Kinderbetreuung erlassen wurden und von den Eltern nicht gezahlt werden mussten. In diesem äußerst kinderfreundlichen Dänemark ist das aber kein Argument. Man zahlt für dieses Angebot einen Regelsatz von umgerechnet ca. 300€ pro Monat. Wer wenig hat, zahlt natürlich auch weniger.

Diese Diskrepanz zu Berlin können wir uns aber auch schönrechnen. Wo sonst bekommt man einen Vollzeit Sprachkurs in Dänisch mit pädagogischer Bespaßung und nahezu Vollverpflegung für knapp 15€ am Tag?

Apropos Sprachkurs. Am Anfang hatten wir noch Sorge, ob das Kind in dieser fremdsprachigen Umgebung zurecht kommt. Das mag auch die Ursache vereinzelter Tränen bei allen Beteiligten gewesen sein. Doch jetzt sehen wir, dass nicht nur die dänischen Kinder ein paar Deutsch-Vokabeln abbekommen haben, sondern auch unser Kind täglich berichtet, welches neue Wort es gelernt hat.


Nachtrag: Heute hatten wir schon eine kleine Familienaktivität, die von den Eltern der Kita-Kinder organisiert wurde. Wir trafen uns in einer Waldhütte zum gemeinsamen Kürbisschnitzen. Das Ergebnis dessen, hält jetzt vielleicht fremde Katzen von der Haustür fern. Aber auch sonst war es eine schöne Veranstaltung mit Thermoskannen-Kaffee und Stockbrot am Lagerfeuer.

Tür mit Kürbiskopf

Den unmissverständlichen Beginn der kalten Jahreszeit mit angekündigtem Nachtfrost begehen wir noch am gleichen Tag mit einer weiteren der unzähligen, verspeisten Apfelkuchen-Variationen.